Karlchen
Karlchen *2019
Tja, Karlchen...
Windhunde haben mich schon immer fasziniert – nicht nur durch ihre elegante Erscheinung, sondern vor allem durch ihre besondere Ausstrahlung. Das Schicksal der Galgos in Spanien hat mich seit jeher tief berührt. So kam im Sommer 2021 Karlchen zu uns.
Er wurde in Spanien von einem Jäger abgegeben, mit der Begründung, er sei schon als Welpe „zu sensibel“ und damit für die Jagd ungeeignet. Was er in den zwei Jahren bis zu seiner Abgabe erlebt hat, muss furchtbar gewesen sein: Sein Körper war übersät mit großen Narben, dazu kleinere kreisrunde Spuren, die aussahen, als hätte man Zigaretten auf ihm ausgedrückt. Er war unterbemuskelt, sein Blick voller Panik. Als er am Flughafen aus seiner Transportbox kam, stand er starr vor Angst – unfähig, auch nur einen Schritt zu machen.
Wie gut, dass ich Mathilda als Unterstützung dabei hatte. Sie wich ihm nicht von der Seite und half ihm, die ersten zaghaften Schritte zu gehen. Zuhause behielt er zunächst sein Halsband an, in den Garten ging es nur an der Leine – von allein wäre er nicht wieder ins Haus gekommen.
Mir vertraute er recht schnell. Bald durfte ich ihn streicheln, und er begann, diese Zuwendung zu genießen. Doch seine Angst vor Männern war tiefer verwurzelt. Wenn er konnte, wich er meinem Mann aus; gab es keinen Fluchtweg, erstarrte er. Fast drei Jahre dauerte es, bis Karlchen sich – immer in seinem eigenen Tempo – annäherte. Heute, nach vier Jahren, sind die beiden ein enges Team. Fremde Menschen hingegen – und vor allem Männer – machen ihm noch immer Angst, während er sich über vertraute Frauen mittlerweile ehrlich freut.
Heute lebt Karlchen nicht nur mit Mathilda, sondern auch mit unseren Junghündinnen Hermine und Lilly zusammen. Die zwei zeigen ihm die Welt noch mal aus einem ganz anderen Blickwinkel! Seit sie bei uns leben, ist Karlchen unendlich viel lustiger, mutiger und selbstbewusster geworden.
Er ist mir mittlerweile eine enorme Unterstützung beim Begegnungstraining mit ängstlichen, unsicheren oder angstaggressiven Hunden, da er eine unglaubliche Neutralität und Ruhe ausstrahlt.
Es ist sehr berührend und schön zu sehen, wie aus einem Hund, der sich schon aufgegeben hatte, wieder ein fröhlicher, selbstbewusster und fast schon stolzer Rüde geworden ist - mit Geduld, Liebe, ruhiger Anleitung und der Möglichkeit, in seinem individuellen Tempo zu lernen und daran zu wachsen.